Slow Build
Was versteht man unter "Slow Build"? Die Übersetzung bedeutet "langsamer Aufbau" und genau das ist es. Eine Komponente oder ein Produkt wird montiert; dabei wird jeder Montageschritt im Detail auf Probleme hin untersucht. So ergibt sich nach dem Slow Build eine Maßnahmenliste, deren Abarbeitung das Produkt und den Prozess auf die nächste Reifestufe hebt.
In der Produkt- und Prozessentwicklung lassen sich viele Risiken per FMEA analysieren, Aufbauten lassen sich berechnen, Abläufe lassen sich simulieren. Trotzdem tauchen bei Probeaufbauten immer wieder Probleme auf, die dann entsprechend gelöst werden müssen. Slow Build stellt einen solchen Probeaufbau dar, in dem ein Team von Spezialisten strukturiert vorgeht, um möglichst viele solcher Probleme aufzudecken.
Wie wird ein Slow Build durchgeführt?
Vor dem Slow Build Workshop steht die Vorbereitung des Teams, und zwar spezifisch für jedes einzelne Mitglied. Im Workshop selbst wird dann das Produkt Schritt für Schritt zusammengebaut, wobei jeder einzelne Schritt genauestens überprüft wird. Wenn das Produkt fertig gebaut ist, wird es auch noch einmal genauestens überprüft. Am Schluss wird die Versandmethode einschließlich Verpackung geprüft. Die Ergebnisse werden in einer Maßnahmenliste dargestellt. Der Aufbau eines Produktes, der am Montageband vielleich einige Minuten dauert, dauert wegen der umfangreichen Prüfungen etwa eine Schicht.
Vorbereitung der Teammitglieder
Das Team besteht aus
- Moderator (Leiter des Slow Build) - Er koordiniert den Ablauf und ist für die Erstellung der Maßnahmenliste verantwortlich.
- Industrial Engineering (auch Arbeitsvorbereitung, Prozessentwicklung) - stellt folgende Dokumente zur Verfügung:
- Prozessflussdiagramm (Process Flow Chart)
- Prozess-FMEA
- Produktionslenkungsplan (Prototyp- oder Vorserien-Produktionslenkungsplan)
- Arbeitsanweisungen (oder vorläufige Arbeitsanweisungen)
- Produktionsstückliste
- Projektmanagement / Produktentwicklung - hier werden folgende Dokumente bereitgestellt:
- Zeichnungen, Modelle, Spezifikationen
- Design-FMEA
- Status der Werkzeuge
- Status der Teile (Engineering level, Serienteile, Vorserienteile, usw.)
- geplante, aber noch nicht umgesetzte Änderungen
- Einkauf / Logistik - stellt folgende Dokumente zur Verfügung:
- Lieferantenstatus (Auswahl, Bemusterungsstand, Readiness, Run@Rate)
- Lieferstandorte
- Verpackung
- Plan for every Part und geplanter interner Materialfluss
- Produktion - Die Produktion stellt eine Person, die das Produkt aufbauen soll.
- Qualitätssicherung - stellt folgende Informationen bereit:
- Kundenanforderungen und verdeckte Erwartungen
- Anforderungen an die Funktion des Produktes
- Anforderungen an das Aussehen des Produktes
- bekannte Probleme aus der Vergangenheit (Lessons learned)
Auf folgendes ist besonders zu achten:
- Es ist nicht notwendig, dass genau diese Teammitglieder genau diese Unterlagen bereitstellen. Es ist sinngemäß zu verfahren.
- Die Teile und Baugruppen dürfen nicht modifiziert sein. Sie müssen dem dokumentierten Engineering Level entsprechen. Schließlich will man ja Probleme aufdecken und nicht verstecken.
Wann wird ein Slow Build durchgeführt?
Prinzipiell sind 2 Phasen vorstellbar, in denen Slow Builds durchgeführt werden:
- In der Prototypenphase - Die Montagelinie existiert noch nicht. Dann müssen einfache Vorrichtungen benutzt werden, um das Produkt aufzubauen. Der Slow Build Workshop wird typischerweise im Prototypenraum durchgeführt.
- In der Vorserienphase - Die Montagelinie ist aufgebaut und kann benutzt werden. Der Slow Build Workshop wird an der Montagelinie durchgeführt.
Rollen für die Teammitglieder
Im Slow Build Workshop werden für die Teammitglieder Rollen vorgesehen. Ein Teammitglied kann mehrere Rollen haben:
- Dokumentierer - Er schreibt zu jedem Arbeitsschritt alle Probleme in einer Liste auf.
- Stücklistenprüfer - er überprüft, ob das Teil in der Stückliste ist und ob die Teilenummer stimmt.
- Teileprüfer - er prüft, ob das Engineering Level des Teils mit der Vorgabe übereinstimmt, ob das Teil der Spezifikation entspricht und ob an dem Teil irgendwelche Modifikationen durchgeführt wurden.
- Lieferantenprüfer - er prüft die Lieferantensituation für dieses Teil
- Ist der Lieferant für dieses Teil festgelegt?
- Ist klar, aus welchen Standort ds Lieferanten geliefert wird?
- Hat der Lieferant bereits bemustert? Mit welchem Ergebnis?
- Gibt es bekannte Probleme mit dem Teil oder dem Lieferanten?
- Verpackungsprüfer - er prüft die Verpackung von Wareneingang bis zur Montagelinie
- Ist die Verpackung bereits festgelegt?
- Ist die Verpackung so, dass die Teile nicht beschädigt werden können?
- Ist die Verpackung einfach zu handhaben? Kleine Behälter?
- Muss zwischen Wareneingang und der Montagelinie umgepackt werden?
- FMEA-Prüfer - er prüft die FMEA für jeden Arbeitsschritt
- Welche Risiken sind vorhanden? Akzeptabel?
- Sind kritische und wichtige Merkmale erwähnt?
- Sind bei kritischen und wichtigen Merkmalen Poka Yokes vorgesehen?
- Sind Abstellmaßnahmen noch offen?
- Produktionslenkungsplanprüfer - er überprüft den Produktionslenkungsplan für jeden Arbeitsschritt
- Sind die Merkmal identifiziert? Kritische oder wichtige Merkmale?
- werden die Toleranzen angegeben?
- Ist die Prüfmethode definiert?
- Ist die Wartung definiert? TPM?
- Sind Poka Yokes definiert?
- Sind Alternativen definiert, wenn Poka Yokes (noch) nicht funktionieren?
- Ist der Reaktionsplan definiert, wenn Probleme auftreten?
- Montierer - er baut das Produkt auf. Er muss sich streng an die Vorgaben der Arbeitsanweisungen und des Produktionslenkungsplan halten. Er muss es so langsam tun, dass die Teammitglieder jeden Schritt genau beobachten können. Sobald er bei der Montage auf Probleme stößt, muss er diese laut und deutlich äußern und demonstrieren. Zudem ist es sinnvoll, auch gezielt falsche Zusammenbauten zu versuchen.
Problembehandlung und Zusammenfassung
Wenn Probleme gefunden werden, darf man nicht versuchen, Lösungswege im Slow Build Workshop zu suchen. Lösungswege müssen außerhalb des Workshops durch die Spezialisten gesucht werden.
Am Ende des Workshops zieht sich das Team in einen Besprechungsraum zurück. Dort werden noch einmal alle Probleme dargestellt und gegebenenfalls Verantwortliche und Zieltermine festgelegt.