Arthur Wicker ist Spezialist für Supply Chain Management, Einkauf, Logistik, Projektmanagement, Turnaround Management. Er hat weitreichende Erfahrungen in Einkauf, Supply Chain Management, Operations, einschließlich verschiedener Turnaround Situationen in der Europäischen Automobilindustrie; all das bei führenden Europäischen Automobilherstellern und führenden internationalen Zulieferern.
Seine internationale Erfahrungen beruhen auf Tätigkeiten in USA, Mexiko, Deutschland, Italien, Portugal und der Slovakei. Arthur spricht Englisch, Italienisch, Spanisch, Deutsch und Französisch.
Von Arthur Wicker und Karl Stanger
OEMs in der Automobilindustrie ändern ihren Produktmix täglich. Die Zulieferer müssen diesen änderungen folgen, um die Just-In-Time-Lieferungen zu gewährleisten. Aber müssen die Lieferanten auch den Mix in ihrer Produktion täglich ändern? Welche Alternativen gibt es? Der Artikel versucht, auf diese Fragen Antworten zu finden und ein Konzept aufzuzeigen.
In der Automobilindustrie produzieren die OEMs täglich einen Mix von Fahrzeugen, die sich in allen möglichen Details voneinander unterscheiden. Viele Lieferanten liefern Just-In-Time oder gar Just-In-Sequence, um die Menge an Eingangsmaterial beim OEM auf ein Minimum zu begrenzen. Wenn nun der OEM mehr oder weniger Fahrzeuge produziert, so muss der Lieferant auch mehr oder weniger Teile liefern - er muss dieser Dynamik folgen.
Der OEM ändert aber seine Produktionsstückzahl nicht täglich, da er ja wirtschaftlich produzieren will. änderungen dieser Gesamtproduktionsstückzahl wird es also eher langfristig geben.
Im Mix ist der OEM allerdings wesentlich flexibler; hier sind tägliche änderungen der Normalfall. Das bedeutet, dass der Lieferant sich auf diese Schwankungen einstellen muss.
Es gibt Produktionsaufgaben, die sich am besten als Just-In-Sequence-Produktion erledigen lassen. Allerdings müssen in einem solchen Fall die Lieferanten die Komplexität der Variantenvielfalt vor allem logistisch beherrschen. So ergeben sich z.B. bei der Montage von Autositzen Millionen von Varianten. Man kann diese Vielfalt an Varianten am einfachsten nachvollziehen, wenn man sich überlegt, wie viele Male man entscheiden muss, um einen Sitztyp auszuwählen. (z.B. Farbe, Stoff / Leder, manuell / elektrisch, usw.) Es werden dann meistens an einem Montageband die unterschiedlichen Varianten in der geforderten Reihenfolge produziert.
Es gibt aber auch sehr viele Produkte, bei der eine In-Sequence-Produktion nicht möglich ist, da Maschinen umgerüstet werden müssten. Bei solchen Herstellungsverfahren ist es notwendig, die Anzahl der Maschinenumrüstungen niedrig zu halten, um effektiv zu produzieren. Trotz einer solchen Fertigung kann In-Sequence geliefert werden, wenn die Produkte in ein Lager hinein produziert werden und dort zur Belieferung des Kunden sequenziert werden. Dabei kann das Lager am Produktionsort (Warenausgangslager) oder sein.
Wir wollen im folgenden die zweite Produktionsart betrachten und diskutieren, wie man bei täglichen Abrufschwankungen eine gleichmäßige Produktion aufrecht erhalten kann.
Im Diagramm sieht man die Kundenabrufe einer Produktvariante als blaue Kurve für 6 Monate. Die Kundenabrufe schwanken um den Mittelwert 19 / Tag. Die Produktion (rote Linie) kann für längere Zeit auf einem Level gehalten werden. Im nebenstehenden Fall sind das 9 Wochen 19 Teile, 4 Wochen 25 Teile, 8 Wochen 19 Teile, 4 Wochen 8 Teile täglich. Der Lagerbestand schwankt entsprechend der gelben Kurve. Im Mittel entspricht er einer Reichweite von 4 Tagen. Die Daten entsprechen tatsächlichen Abrufen.
Die Analyse wurde gemacht, nachdem die Abrufe eingegangen waren. Damit kann sie natürlich nicht als Planungsinstrument dienen. Der einzige Zweck ist, aufzuzeigen, dass man eine gleichmäßige Produktion über längere Zeit aufrecht erhalten kann. Toyota erzeugt dazu sogenannte Produktionsszenarien mit festgelegtem Produktmix. Diese Szenarien sind vorher festgelegt und getestet. Bei Bedarf wird von einem Szenario in ein anderes Szenario umgeschaltet. In unserem Fall wären das 3 Szenarien: 25 Teile / Tag, 19 Teile / Tag und 8 Teile / Tag. Man würde also nicht auf 15 Teile / Tag gehen, da dieses Szenario nicht existiert.
Um daraus ein Planungsinstrument zu machen, muss man statt der Abrufe die Vorschauen der Kunden nutzen.
Die wichtigste Annahme für unsere Entscheidung bezüglich der Produktionssteuerung ist, dass wir in der Lage sind, die Stückzahlen der einzelnen Produktvarianten konstant zu halten, indem wir die schwankenden Abrufe über die Zeit ausgleichen. Wenn der etwas mehr als den Mittelwert abruft, bauen wir die Lagermenge ab; wenn der Kunde weniger als Mittelwert abruft, bauen wir Lagermenge auf. Die Voraussetzung dafür ist, dass die Summe der Teile je Produktvariante relativ konstant ist.
Die zweite Annahme ist, dass wir in der Lage sind, in unserer Produktion schnell von einer Variante zur anderen Variante umzuschalten, so dass wir keine zusätzlichen Lagermengen zwischen den einzelnen Produktionsprozessen erzeugen. Die zweite Annahme gilt natürlich nur, wenn wir den letzten Produktionsprozess nutzen, um die vorgelagerten Produktionsprozesse zu steuern.
Eine dritte Annahme ist, dass der Gesamtprozess ausgeglichen ist, so dass es nicht notwendig ist, Zwischenprodukte oder Komponenten für unterschiedliche Varianten zu lagern, um z.B. unterschiedliche Zykluszeiten je Variante auszugleichen.
Solange der Kunde keine sehr große Schwankungen hat und seine Abrufe mal oberhalb und mal unterhalb des Mittelwertes liegen, sind wir in der Lage, eine konstante Produktion zu fahren.
Das Ziel der übung, die wir gerade diskutiert haben, ist, zu verstehen, was die Variabilität der Abrufe für das Endprodukt bedeutet. Damit können wir dann auch verstehen, wie machbar es sein wird, die Produktion bei vorgegebener Abrufschwankung zu "glätten". Je größer die Variabilität aller Abrufe, desto größer muss der Sicherheitsbestand an Fertigware sein, um halt eben diese Schwankungen auszugleichen.
Um die Variabilität der Abrufe zu verstehen, müssen wir einen Weg finden, auf die zerlegten Abrufe über Zeit (d.h. die Abrufe für die Produktgruppen, die den gleichen Produktionsfluss haben) zu schauen und messen, wie stabil die Vorschau gegenüber den tatsächlichen Abrufen ist. Diese Stabilität bestimmt letztendlich, wie groß der Sicherheitsbestand sein muss.
Um das zu erreichen müssen wir folgendes tun:
Damit können wir sehen, welche Gesamtvariation sich ergibt und damit den notwendigen Sicherheitsbestand berechnen, der eine "geglättete" Produktion erlaubt.