Ich bin mir absolut sicher, dass man ein Unternehmen ohne Kennzahlen kaum leiten kann. Ohne Kennzahlen weiß man nicht, wo man steht. Das gilt letztendlich für alle Bereiche eines Unternehmens. Ich möchte daher hier ein Kennzahlensystem vorstellen, welches sich in vielen Unternehmen bewährt hat.
Der erste Schritt besteht darin, eine Kennzahl aufzunehmen und transparent darzustellen. Ich möchte das am Beispiel der Qualitätskennzahl PPM tun. Mit PPM ist hier die Anzahl der vom Kunden zurückgewiesenen Teile als ppm (parts per million) gemeint. Man kann die gleiche Systematik aber für sehr viele andere Kennzahlen anwenden, z.B. Anzahl der fehlerhaften Teile innerhalb einer Produktionslinie. Mit kleinen Änderungen lassen sich auch viele Kennzahlen außerhalb der Qualitätssicherung darstellen. Ich werde das später diskutieren.
Darstellung einer Kennzahl als Excel-Tabelle mit Grafik
Der Top-5-Ansatz folgt in einfacher Weise dem Pareto-Prinzip:
Wenn man 100 verschiedene Probleme hat, kann man mit seinen begrenzten Ressourcen nicht gleichzeitig an jedem Problem arbeiten. Man sortiert also die Probleme nach der Wichtigkeit (in diesem Fall nach der Fehlerhäufigkeit) und wählt die 5 wichtigsten Probleme aus. Nach Pareto bearbeitet man damit 80% (ob das genau 80% sind, hängt vom einzelnen Fall ab. Zumindest ist es ein Großteil) der Fehler. Wenn man nun eine Fehlerart eliminiert hat, fügt man die nächst wichtige Fehlerart in die Top 5. Damit bündelt man seine Ressourcen auf das wichtigste.
Top 5 bedeutet nicht unbedingt, dass man genau 5 Fehlerarten bearbeiten muss. Es können auch 3 oder 4 sein. Wichtig ist, dass man das Prinzip versteht und danach handelt. Jetzt ist auch verständlich, warum ich nur 5 der Fehlerarten in der Tabelle zeige und den Rest ausblende.
Die Liste (Zeile 2 - 107) stellt eine Fehlersammelkarte dar. In Spalte A wird ab Zeile 4 ein Fehlercode (in meinem Beispiel eine Nummer; das kann aber auch ein Text sein) angegeben. In Spalte B wird die dazu gehörende Fehlerbeschreibung angegeben. In den Spalten C - N werden die Fehlerhäufigkeiten entsprechend der Monate angegeben. Man kann die Karte aber auch wöchentlich oder täglich entwickelt (siehe Download). In der Spalte O werden die Fehler über die 12 Monate aufsummiert. In meinem Beispiel sind die Zeilen 9 - 103 ausgeblendet, da ich hier nur die 5 wichtigsten Fehlerarten darstellen möchte. Ich nenne diese wichtigen Fehlerarten "Top 5". Der Grund liegt darin, dass man sich zuerst einmal für die wichtigsten Fehler (also diejenigen, die am häufigsten auftreten) interessiert. In der Zeile 104 werden die Anzahlen der Fehler aufsummiert. Achtung: es werden alle Fehler aufsummiert, auch diejenigen, die in der Darstellung ausgeblendet sind. In Zeile 105 wird angegeben, wie viele Teile geliefert wurden. Die ppm in Zeile 107 errechnen sich aus Anzahl der Fehler (Zeile 104) x 1.000.000 / Anzahl der gelieferten Teile (Zeile 105). Eine Zielvorgabe je Monat wird in Zeile 106 angegeben. Um klarzustellen, in welchen Zellen Eingaben verboten sind, wurden diese Zellen gelb markiert. Es sind also nur Eingaben in den weißen Zellen erlaubt.
Die erste Grafik zeigt den Verlauf der ppm (Zeile 107), sowie die Zielvorgabe (Zeile 106). Die beiden anderen Grafiken zeigen Fehlerhäufigkeiten der Top 5, einmal bezogen auf einen ausgewählten Monat und einmal bezogen auf die 12 Monate. Ich habe einige Makros dazu geschrieben, mit denen verschiedene Ausgaben der beiden rechten Grafiken erzeugt werden können. Auch kann die Tabelle sortiert werden.
Es gibt ein verstecktes Blatt mit Namen "calc", welches nicht gelöscht oder verändert werden darf. In dieses Blatt werden z.B. durch die Makros Daten kopiert und auch wieder gelesen. Wenn das Blatt "calc" verändert wird, funktionieren die Makros nicht mehr.
Die Makros und auch die Grafiken erwarten, dass in den Zeilen 104 - 107 genau die beschriebenen Daten vorliegen. Wenn Sie eine Zeile vor der Zeile 107 einfügen oder löschen, funktionieren die Makros nicht mehr. Wenn Sie mehr Fehlerarten als 100 brauchen, müssen Sie auch die Makros entsprechend anpassen.
Viele Anwender wollen Fehlerarten gruppieren. Das ist problemslos möglich. Im Bild sehen Sie einen Ausschnitt aus einer 3-stufigen Fehlerartenliste. Die erste Fehlerart hätte dann den Fehlercode 7.1.1; die letzte den Fehlercode 8.3.16. Man sollte selbst ausprobieren, wie sich die Fehlersammelliste beim Sortieren verhält.
Eine Kennzahl ist dann gut, wenn ich sie beeinflussen und verbessern kann.
Ich denke da immer wieder an die Kennzahl Produktivität, in die man alles und nichts hineininterpretieren kann und die von so vielen Faktoren abhängig ist, dass der Wunsch "Wir erhöhen mal die Produktivität" je nach Gusto mit Leichtigkeit erfüllt werden kann oder gänzlich unmöglich ist. Denken wir einmal an Dürrenmatts "Grieche sucht Griechin". Dort gibt es eine Firma, die Atomkanonen und Geburtszangen herstellt. Wenn man die Produktivität als Anzahl der pro Zeiteinheit erzeugten Produkte versteht, sieht man schon, wohin das führt. In der Zeit, in der diese Firma eine Atomkanone herstellt, kann sie gleichzeitig 50.000 Geburtszangen herstellen. Also erhöhe ich die Produktivität, indem ich mehr Geburtszangen herstelle!?! Sie denken, das ist unrealistisch und maßlos übertrieben? Stimmt. Aber wie ist es mit einen Unternehmen, das Autositze herstellt? Es gibt einfache Autositze, elektrisch betriebene Autositze, welche mit Leder, mit Stoff usw. Da kann man nicht einfach sagen, dass die Produktivität x Autositze pro Tag ist.
Ich denke, dass es absolut wichtig ist, dass man sich bei jeder Kennzahl ein paar Fragen stellt:
Im folgenden habe ich in einer Tabelle einige Kennzahlen aufgelistet. Die Kennzahlen entstemmen einem Unternehmen der Automobilindustrie.
Kennzahl | Zweck | Bewertung |
---|---|---|
RPPM | Rejected PPM - Qualitätssicherung entspricht der Anzahl der vom Kunden offiziell zurückgelieferten fehlerhaften Teile |
Mittels Problemlösungsverfahren kann man die Ursachen der Fehler eliminieren und die RPPM entsprechend beeinflussen. |
DPPM | Defective PPM - Qualitätssicherung entspricht der Anzahl der beim Kunden gefundenen fehlerhaften Teile, die aber offiziell nicht gemeldet sind. |
Mittels Problemlösungsverfahren kann man die Ursachen der Fehler eliminieren und die DPPM entsprechend beeinflussen. |
IPPM | Internal PPM - Qualitätssicherung entspricht der Anzahl der im eigenen Produktionswerk gefundenen Fehler |
Mittels Problemlösungsverfahren kann man die Ursachen der Fehler eliminieren und die IPPM entsprechend beeinflussen. Es ist zu prüfen, ob man eine Kennzahl für die gesamte Produktion nehmen kann, oder ob es besser ist, verschiedene IPPM-Kennzahlen für unterschiedliche Produktionslinien zu nehmen. |
Written Complaints | Qualitätssicherung entspricht der Anzahl der offiziellen Kundenreklamationen |
Vorsicht bei Benutzung dieser Kennzahl: Es kann sein, dass der Kunde in einem Prüfbericht mehrere Fehler zusammenfasst, z.B. ein monatlicher Prüfbericht, und aber gleichzeitig Einzelfehler mit Prüfberichten belegt. Damit wird die Beeinflussung dieser Kennzahl fast unmöglich. RPPM ist Written Complaints immer vorzuziehen. |
Supplier PPM | Qualitätssicherung entspricht der Anzahl der zu Lieferanten reklamierten Teile |
Man muss die Lieferanten anhalten, mittels Problemlösungsverfahren die Fehlerursachen zu eliminieren. Die nachhaltige Überwachung und ein starkes Lieferantenmanagement sichern eine Verbesserung dieser Kennzahl. |
Customer audit score | Qualitätssicherung entspricht der Anzahl der beim Fahrzeugaudit vom Kunden gefundenen Beanstandungen |
Mittels Problemlösungsverfahren kann man die Ursachen der Fehler eliminieren und die Customer audit score entsprechend beeinflussen. |
OEE | Overall Equipment Efficiency - Produktion setzt sich aus Anlagenverfügbarkeit, Produktionsperformance und Qualität zusammen |
OEE als Kennzahl zu bewerten, ist nicht ganz einfach. Zum ersten setzt sie sich aus 3 Unterkennzahlen zusammen, die jede für sich einzeln optimiert werden kann. Zum zweiten kann man sie nur auf Einzelanlagen oder verkettete Produktionslinien anwenden. Letztendlich stellt sie aber den Zustand einer Produktionseinheit zusammenfassend dar. |
Scrap | Ausschuss - Produktion entspricht dem Ausschuss bezogen auf das eingesetzte Material |
Ausschuss muss finanziell bewertet werden und dann auf die Materialkosten bezogen werden. Wenn man ihn auf den Umsatz bezieht, hat man die Personalkosten einbezogen und verfälscht damit je nach Standortlage (Hochlohnland gegen Billiglohnland) das Ergebnis. Ausschuss ist eine wichtige Kennzahl, da sie direkt vermeidbare Verluste darstellt. (siehe auch Qualitätskosten: Reduzierung des Ausschusses durch Mitarbeitermotivation) |
MDOH | Mean Days on Hand - Logistik entspricht der mittleren Reichweite für das Eingangsmaterial |
Eine wichtige Kennzahl, da sie direkt kostenrelevant ist. Man muss allerdings darauf achten, dass sie korrekt gemessen wird, d.h. dass wirklich der Mittelwert gemessen wird. Vielfach wird nämlich als Stichtag der letzte des Monats genommen. Folge davon ist, dass die Logistik zum Monatsende die Bestände herunterfährt, was die Kosten aber nicht senkt. |
Premium Freight | Sonderfrachten - Logistik entspricht den Kosten für selbst verschuldete Sonderfrachten |
Auch diese Kennzahl ist direkt kostenrelevant. Es ist wichtig, dass man unterscheidet zwischen Kosten, die wieder erlöst werden (z.B. durch Lieferanten verursachte Sonderfrachten) und solche, die nicht wieder erlöst werden können. Auch hier gibt es weitere Erläuterungen bei Qualitätskosten. |
Delivery Performance | Liefertreue - Logistik entspricht dem Anteil Lieferungen, bei denen etwas nicht richtig ist |
Bei dieser Kennzahl muss man ganz genau definieren, wann eine Lieferung 100% ok ist. Beispiele für nicht ok sind: zu spät, zu früh, zu viel, zu wenig, beschädigt. Erst wenn die unternehmensspezifische Definition der Kennzahl fest steht und verstanden ist, darf die Kennzahl benutzt werden. Fehler können in der gesamten logistischen Kette, von der Bereitstellung zum Versand bis zur Bereitstellung beim Kunden passieren. Entsprechend komplex ist die Fehlersuche und -korrektur. |
Unplanned downtime | Ungeplante Stillstandszeiten - Instandhaltung entspricht der Zeit, die eine Anlage aufgrund einer Störung ausfällt |
Auch hier ist wieder die Definition der Schlüssel. Bezieht sich die Stillstandszeit auf eine Maschine oder auf eine Produktionslinie? Bedeutet der Stillstand, dass kein Teil produziert werden kann? Ziel ist es ohne Zweifel, die ungeplanten Stillstände auf Null zu reduzieren. Dazu ist eine vorbeugende und auch vorausschauende Wartung notwendig. Sicherlich eine gute Kennzahl, die aber auf eine solide Definition aufbauen muss. |
MTBF | Mean time between failures - Instandhaltung entspricht dem mittleren Abstand zwischen zwei Störungen |
Es mag sein, dass man diese Kennzahl bei speziellen Maschinen benötigt. Für den "Hausgebrauch" ist sie nur "nice to have". |
MTTR | Mean time to repair - Instandhaltung entspricht dem mittleren Zeitbedarf für eine Raparatur |
Wir sind wieder bei den Atomkanonen und den Geburtszangen. Um eine Atomkanone zu reparieren, benötigt man ein Vielfaches der Zeit zur Reparatur einer Geburtszange.Also was bringt mir dann der Mittelwert? Ich denke, diese Kennzahl ist "nice to have". |
Spare parts consumption | Verbrauch an Ersatzteilen - Instandhaltung | Hier ist es wichtig, die Basis zu kennen: Wann ist der Verbrauch an Ersatzteilen normal, und wann ist er erhöht? Andererseits mag es interessant sein, welche Maschine einen erhöhten Verschleiß zeigt. Es muss aber in jedem Fall gefragt werden, ob "unplanned downtime" nicht schon als Kennzahl ausreicht. |
Absenteeism | Abwesenheit - Personalwesen Abwesenheitsrate in Prozent |
Hier muss man sich klar werden, was man damit machen will und welche Abwesenheit man beeinflussen kann. Nach meiner Erfahrung kann man nur die kurzfristige Abwesenheit (kleiner als 3 Tage) beeinflussen. Die Abwesenheitsrate hängt stark vom Umfeld ab (viel / wenig Arbeitslosigkeit). Die Basis sollte sich am Industriedurchschnitt oder vielleicht besser am Branchendurchschnitt in der jeweiligen Region orientieren. |
Turnover | Fluktuation - Personalwesen entspricht der Anzahl der Mitarbeiter, die kündigen |
Hier ist es wichtig, Gründe für das freiwillige Ausscheiden von Mitarbeitern zu finden. Es ist wichtig, die Fluktuation im Auge zu behalten und auch etwas zu tun, wenn sie ungewöhnlich hoch ist. Aber es ich sicher eine Langzeitkennzahl. |
Headcount | Personalstärke - Personalwesen entspricht Anzahl der Mitarbeiter |
Die Personalstärke sollte sich nicht an einer Zahl primär orientieren, sondern am Bedarf, der vom jeweiligen Geschäftsprozess abhängig ist. |
Frequency | Unfallhäufigkeit - Arbeitssicherheit entspricht Anzahl der Unfälle je Zeit |
Diese Kennzahl ist im Vergleich innerhalb der Branche sicherlich wichtig. Viel wichtiger aber sind die Maßnahmen, die man ansetzen muss, um die Arbeitssicherheit zu verbessern. Besonderer Augenmerk sei hier auf die Kleinstunfälle gelegt. |
Severity | Unfallschwere - Arbeitssicherheit entspricht Abwesenheitsdauer durch Unfälle |
Diese Kennzahl ist im Vergleich innerhalb der Branche sicherlich wichtig. Viel wichtiger aber sind die Maßnahmen, die man ansetzen muss, um die Arbeitssicherheit zu verbessern. |
Es gibt noch viele andere Kennzahlen, die ich hier nicht vorgestellt habe. (Anzahl Überstunden, Frachtkosten, Gewinn, usw.) Ich denke, es ist wichtig, dass jedes Unternehmen seinen eigenen Satz von Kennzahlen aufbaut und auch danach das Unternehmen steuert. Für die Leitung des Unternehmens ist eine Verdichtung der Kennzahlen notwendig. So kann man z.B. alle Kennzahlen für ein ganzes Jahr auf einem Din-A4-Blatt darstellen. Wichtig ist zuerst einmal, ob die Kennzahl innerhalb der Vorgaben liegt oder nicht. Die Unternehmensleitung wird sich zuerst um die Kennzahlen kümmern müssen, die die Vorgaben nicht erfüllen.
Die Kennzahlenübersicht rechts ist so gestaltet, dass man auf den ersten Blick sieht, ob die Kennzahl innerhalb der Vorgabe ist. Da auch die Vorgabe (Target) aufgeführt ist, kann man auch sehen, wie weit die Kennzahl außerhalb liegt und wie der Trend ist. Die Kennzahlkarte ist per Hyperlink anklickbar; damit ist es immer möglich, aus der Übersicht heraus ins Detail zu gehen. Die Daten auf der Übersichts sind Verknüpfungen mit den Kennzahlkarten, so dass die Daten nur einmal auf der jeweiligen Kennzahlkarte eingetragen werden müssen. Dies stellt auch sicher, dass es keine Übertragungsfehler gibt. Es ist allerdings notwendig, dass man die Speicherorte der Karten vorher bestimmt und auch nicht verändert. Auch dürfen Dateinamen nicht verändert werden, da sonst die Verknüpfung zerstört wird.
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