Ein armer Hirt trieb Tag für Tag die Schweine zur Mast in den Wald, durch den noch heute der Sulzbach fließt.
Es wurde schon Herbst. Die Bäume warfen die Blätter ab, nun konnte der Hirt den Blick wieder zum Himmel erheben, konnte in die Sonne gucken und des Nachts in die Sterne und konnte darin lesen, wie sie es denn mit ihm meinten, und ob nicht bessere Zeiten kämen.
Er war der Meinung, die Schweine hätten es besser als er. Die fraßen sich fett an den rundlichen Eicheln, grunzten vergnügt und wälzten sich voll Lust in den schlammigen Tümpeln. Brauchten sich nicht zu schinden, kannten nicht Sorge noch Leid, und wussten auch nichts von dem schwarzen Herzog, dem argen Teufel, der das Land unsicher machte und es plünderte und ausraubte.
Jedesmal, wenn irgendwo ein Zweig knackte, erschrak der Hirt, denn er meinte, jetzt käme der schwarze Herzog mit seinen Gesellen und nähme ihm ein Schwein weg.
Und immer wieder ließ er seine Augen über die Schweine hingehen, und wohl hundertmal am Tage blies er ins Horn und rief die allzu Verwegenen herbei.
Denn außer dem schwarzen Herzog gab es noch einen Feind. Das war der weiße Nebel, der wie ein Meer zwischen den Wäldern wogte und die Schweine verschlang, dass man schier meinen konnte, sie wären ertrunken.
Und der Nebel saß ihm wie eine feuchte Schlange im mageren Genick, kroch ihm unter den leinenen Kittel hin und an der groben Zwillichhose hinab.
Der Hirt hob die Augen zum Himmel, ob denn die Sonne nicht bald herauskäme, dass sie ihm den Nebel verscheuche und ein bisschen Wärme hergebe von dem gelben Feuer ihres gewaltigen Rades und ein Quäntchen Freude dazu.
Aber sie schien schlechter Laune zu sein, und der Hirt dachte, wenn das himmlische Feuer für einen armen Hirt nicht zu haben sei, so müsse er sich eben mit dem irdischen begnügen, stand auf und suchte nach einem Plätzchen, wo er ein Feuer anlegen könnte. Da sah er, wie eines der Schweine sich eine Grube scharrte. Er dachte, die sei ihm gerade genehm, und er könne sein Feuer hineinlegen, ging hin, zu schauen, ob das Tier auch gute Arbeit gemacht hätte. Da sah er, wie es einen Stein aus der Erde wühlte, der war seltsam schwarz und glänzend, und so groß wie ein Kopf.
Der schwarze Stein schien ihm recht sonderlich, aber er machte sich weiter keine Gedanken und ließ den Stein liegen. Er trug Reisig zusammen, nahm Holz, tat es in die Grube und machte ein Feuer an. Als es nach vieler Mühe brannte, nahm er getrockneten Klee aus dem Beutel, stopfte sich eine Pfeife, setzte sich an den Rand der Grube und ließ sich's recht wohl sein in der behaglichen Wärme. Indes er mit Behagen den Flammen zusah, schien ihm, es sei doch etwas Schönes um das Feuer, und er fand, die Menschen hätten ihm manches zu danken. Unter solchen Gedanken schlief er, von der Wärme ermüdet, ein. Ihm träumte, er sähe ein Feuer und darin brannten schwarze glänzende Steine, und die wurden zu lauter Gold.
Als er aufwachte, wunderte er sich über den seltsamen Traum, schalt sich einen Narren, aber als er nach dem Feuer sah, da war es heruntergebrannt. Es hatte das Holz verzehrt und es brannte dennoch, obwohl kein einziges Reislein darin zu sehen war. Er dachte, das gehe nicht mit richtigen Dingen zu, sah nach und fand, dass es der schwarze Stein war, der da so lustig brannte.
Der Hirt griff an den Kopf und meinte, er wäre nicht recht bei Sinnen. Dass Steine brennen, hat ihm bis heute noch keiner gesagt. Kam der schwarze Stein aus der Hölle? Hat ihn der Böse herauf geschleudert, und wollte der Teufel ihn foppen!
Der Stein brannte noch immer, gab Glut und Wärme, und er sandte auch Rauch aus, und dem Hirten schien, er hielte das Feuer viel länger als Reisig und Buchenholz. Und weil es ihm jetzt eine vergnügliche Sache war, so meinte er,wo ein Stein gelegen, da könnten auch noch andere liegen, sah nach, und fand am Rand der Grube noch viel von den schwarzen Steinen, hob sie auf und warf sie ins Feuer. Das lag auf einmal wie tot da, aber dann begann es langsam an den Steinen zu fressen, wurde gierig und verschlang die Steine mit lichterloh brennender Flamme, dass nichts übrig blieb als graue steinige Asche.
Am Abend trieb der Hirt seine Herde nach Hause. Er sagte keiner Seele von dem seltsamen Fund, und als er am anderen Tag seine Schweine wieder in den Wald trieb, nahm er Hacke und Schaufel mit, denn er dachte an den seltsamen Traum von den schwarzen Steinen, die brannten und zu Gold wurden. Hat sich das Erste erfüllt, dachte der Hirte, so könne auch das Zweite wahr werden, fing an zu klopfen und zu graben und bald hatte er einen großen Haufen der schwarzen Steine beisammen. Und weil es so kalt und so nebelig war wie am Tage zuvor, so machte er wieder ein Feuer und warf die Steine hinein. Sie brannten und gaben noch weit mehr Wärme als am Tage vorher.
Und indes der Hirt dasaß und in die Glut schaute, sann er, wie denn die Steine zu Gold werden könnten.
Von nun an machte der Hirt jeden Tag ein Feuer, brannte aber kein Holz mehr, sondern nur Steine. Und immer mehr von den schwarzen Steinen grub er, immer mehr.
Die Steine ließen ihn nimmer los und er grub, grub Tag für Tag, und Woche um Woche von den schwarzglänzenden Steinen, denn er meinte, jetzt müsse doch endlich auch das Gold bald zutage kommen.
Aber nur schwarze Steine kamen zum Vorschein. Sie brannten und wurden zu Asche. Und der Hirt sann, zu was die Steine sonst noch zu gebrauchen wären. Doch nur dazu, dass sie verbrannt werden. Aber ein großes Feuer könnte man damit machen, dachte der Hirt, ein riesiges Feuer, das mancherlei zu schaffen vermöchte und Großes zu Werk brächte. Und der Hirt ersann die seltsamsten Dinge, und darüber vergaß er manchmal die Schweine.
So kam es, dass sie sich verliefen, und eines Tages, als er wieder da saß und in die Wolken starrte, als wüssten sie Rat, ging's wie ein Sturm durch den Wald. Äste knackten, Schritte stampften Flüche dröhnten und Schweine schrieen dazwischen, als ob sie am Strick wären.
Da fuhr der Hirt aus seinen seltsamen Träumen. Er wußte, das war das wilde Heer, das war der schwarze Herzog von Zweibrücken mit seinen Gesellen, besann sich nicht lange, lief zu der Grube, nahm einen der schwarzen Steine, fuhr sich damit über das Gesicht und über die Hände, tat seinen Stab zwischen die Beine und ritt also den Räubern entgegen.
Wie er nun die Augen wütend verdrehte und grässliche Laute ausstieß, bekamen die Räuber Angst. Sie glaubten, das sei der Leibhaftige, schrien und machten sich eilends davon.
Der Hirt lachte sich eins; aber als er die Schweine zählte, da fehlte ihm eines, und es war das fetteste Schwein, das die Gesellen geraubt hatten.
Und nun wusste er nicht aus noch ein, denn wo sollte er das Geld hernehmen, ein anderes Schwein zu kaufen. Aber bald wusste er Rat.
Eines Tages nahm der Hirt einen Sack, füllte ihn mit den schwarzen Steinen und lud ihn auf die Schulter. Drei Stunden wanderte er talab durch den Wald und kam zu der Stadt, wo der Burggraf wohnte. Der Pförtner sah verwundert auf den Mann, meinte, der wäre von weit her aus dem Mohrenland und wollte den Grafen mit den Schätzen seines Landes beglücken. Aber an der Sprache merkte er, dass der Mann ein Kind dieses Landes war. Da wurde er zornig und schrie den Mann an, wie er sich getraue mit verrußtem Gesicht und pechschwarzen Händen in das Schloss eines edlen Ritters zu kommen.
Der Hirt sagte, er müsse unverzüglich zum Grafen, Kleider machten nicht Leute, und in dem großen Sack trüge er so viel, dass er sich ein Königreich dafür kaufen könne.
Der Pförtner maß voll Misstrauen den fremden Gesellen mit dem verrußten Gesicht und der schmutzigen Joppe und fragte, was er beim Grafen wolle. Einen kostbaren Schatz gedächte er dem edlen Graf zu Füßen zu legen, sagte der Hirt.
Der Pförtner sah in lüsterner Gier auf den Sack und fragte, was in dem Sack wäre.
"Darin sind die wertvollsten Steine der Welt" sagte der Hirt und verdrehte die Augen. Da ließ ihn der Pförtner ein, denn er dachte an Diamanten und dergleichen wertvolle Steine.
Der Graf ließ den Hirten vor sich kommen, der kostbare Steine bringe, denn er war ein kluger Mann und hatte ein Auge auf alles, was in seinem Lande vorging.
"Ich will Euch die Steine verkaufen", sagte der Hirt. Der Graf schaute die Steine an, schlug sich aufs Knie und rief: "Ei, Ihr wollt mich wohl foppen! Ich dachte, Ihr wolltet mir Diamanten bringen, und nun sind's rußige Steine, die gewiss zu nichts nutze sind."
Sie seien dennoch wertvoll, meinte der Hirt, und war ganz scheu und verlegen, denn er hatte geglaubt, der Graf gäbe ihm ein Säcklein Gold für die Steine. Er wusste nicht, wie er sich herausreden solle und sagte, die Steine würden zu Gold, so hätte ihm einst geträumt.
Wie das aber zugehen sollte, fragte der Graf und wog einen Stein in der Hand.
Man könne ein gewaltiges Feuer damit machen, und das Feuer könne Großes vollbringen, sagte der Hirt. Und erzählte, wie er sich im Walde Tag für Tag an den brennenden Steinen gewärmt hatte.
Der Graf glaubte, der Hirt wolle ihn narren und drohte mit dem Turm. Wie der Hirt sei Leben bedroht sah, nahm er rasch einen Stein und warf ihn ins Feuer. Da sah der Graf, dass er brannte. der Hirt aber rief: "Ihr seht nun selbst, Herr Graf, dass ich die Wahrheit sagte." Nun fragte der Graf, wie viel er für die Steine verlange. der Hirt sagte: "Gebt mir tausend Gulden, Herr Graf, so will ich zufrieden sein!"
"Tausend Stockschläge meint Ihr!" schrie ihn der Graf an und wollte wissen, wo die Steine liegen, die nach der Meinung eines einfältigen Narren zu Gold wurden.
Der Hirt ließ sich nicht einschüchtern und sagte, er wolle es dem Grafen verraten, sobald er die tausend Gulden in der Tasche hätte.
Der Graf aber blieb hart und ließ den Hirt binden, rief aber die Räte zusammen, denn er dachte, es müsse doch etwas auf sich haben mit den schwarzen glänzenden Steinen.
Von dem Hirten geführt und begleitet von seinen Räten machte sich der Graf auf den Weg zu dem Wald, wo es die seltsamen Steine gab.
Der Hirt wies ihm die Stelle, und richtig, da glänzten die schwarzen Steine zuhauf aus dem Schoß der Erde, und als der Graf weiter nachforschte, da zeigte es sich, dass im ganzen Umkreis der Boden voll solcher schwarzer Steine war. Sie wurden Kohlen genannt.
Der Graf gab dem Hirten die tausend Gulden, denn in seinem Kopf spukten schon tausend Pläne, wie er die schwarzen Steine zu Gold machen könnte.
Er bot die Bauern auf im ganzen Bann seiner Herrschaft, die mussten die Steine graben und der Graf wurde ein reicher Mann.
Noch heute werden im Tal des Sulzbachs und weithin im Land Kohlen gegraben. Sie werden schwarze Diamanten genannt. Ihnen verdankt das Land seinen Reichtum und Ruhm.